Kirke

Ulstein Norwegen, 2016

 

Atemberaubende Natur, romantische Fischerdörfer und Objekte schwerer maritimer Industrie prägen die Küstenlandschaft Norwegens.

 

Noch vor hundert Jahren waren die Küstengebiete Norwegens Infrastrukturell kaum erschlossen. Sämtliche Wege mussten mit dem Schiff zurüc kgelegt werden, die einzelnen Inseln der zerklüfteten Küstenlandschaft waren vom Festland abgeschnitten. Die Menschen hier lebten vorwiegend von der

Fischerei und den dazugehörigen Wirtschaftszweigen. Erst mit dem Bau von Straßen und Brücken und dem starken Wachstum der Ölindustrie entwickelten sich neue größere Wirtschaftszweige in den einzelnen Regionen. So auch in dem einst beschaulichen Fischerort Ulstein, im mittleren Teil Norwegens. Durch die Entwicklung zweier Schiffswerften, die ursprün glich für die Wartung von Schiffen und Booten der

Fischer gegründet worden waren, zu hochtechnologisierten und innovativen Weltmarktführern auf ihrem Gebiet, dem Bau von Spezialschiffen, kam es zu einem extremen Bevölkerungsanstieg in der Region. Aus dem einstigen Fischerdorf wurde die „Boomtown“ Ulstein. Die Wachstumsprognosen des Ortes sind steigend, es kommen Ingenieure und Arbeiter aus allen Teilen der Welt um in den 2 Werften zu arbeiten. Auch der Bedarf verschiedener infrastruktureller Einrichtungen steigt. In den letzten Jahren entstanden, ein Hotel, Kino, Einkaufszentrum, Wohnanlagen und andere notwendige Einrichtungen. Der Ort Ulstein hat Heute ca. 9000 Einwohner. Die Kirchengemeinde, die ein Teil der norwegischen Kirche ist, hat ca. 6500 Mitglieder. Allein hieran lässt sich erkennen, dass die Kirche in Norwegen einen großen Stellenwert hat. Die norwegische Kirche ist eine Volkskirche, deren Oberhaupt bis zur Kirchenreform 2012, der norwegische König war. Sie ist evangelisch-lutherisch. Aufgrund der Größe der Gemeinde und der hohen Teilnahmerate an Gottesdiensten und Kirchenaktivitäten, insbesondere der Jugendarbeit, ist die Kirche in Ulstein viel zu klein und entspricht mit ihren räumlichen Gegebenheiten nicht mehr den Ansprüc hen der heutigen Kirchenarbeit. Zum einen ist die Kirche Ort des in sich Gehens, zum anderen aber auch der Versammlung, Gemeinschaft und Veranstaltung. Im Zusammenhang mit der alten Kirche, sieht die Kirche in Ulstein das Potenzial

Räumlichkeiten zu schaffen, die all diesen Anforderungen gerecht werden.

 

Leitidee

 

Ausgangslage Hanggrundstück mit einem Höhenunterschied von 10m, alte Kirche mit steinernem Sockel und ein riesiges Raumprogramm das auf dem Grundstück platz finden soll.

Die vorhandene Kirche ist in der ortstypischen Bauweise errichtet. Ein massiver Sockel mit hölzernem Aufbau. Der Sockel übernimmt vor allem die Maßnahme der Hangsicherung, er stützt das abfallende Gelände ab und bildet so die Plattform für die

Funktionen der Kirche.

 

Reaktion

 

Entscheidung = alte Kirche soll Nummer 1 am Platz bleiben, sie gibt dem neuen Kirchenzentrum Identität und Adresse

Neue Kirche soll klar erkennbar sein aber sich der bestehenden

Kirche Unterordnen.

 

Maßnahme

 

1. Der gesamte Hang des Grundstückes wird abgegraben

2. Der bestehende steinerne Sockel der alten Kirche wird erweitert und bildet Rückhaltewände – übernimmt weiterhin die

Geländesicherung

3. um die geforderten neuen Funktionen unterzubringen werden die Rückhaltewände sowie der Sockel aktiviert und mit Funktionen gefüllt

 

Ergebnis

 

Das Bild der hölzernen Kirche auf steinernem Sockel bleibt erhalten. Alle neuen Funktionen befinden und formen sich aus dem erweiterten Sockelbereich der alten Kirche. Die alte Kirche bleibt Nummer 1 am Platz.

 

Auf Grund der Gelände sichernden Funktion des neuen Kirchenzentrums entstehen klare Ränder um einen Innenhof. Es entsteht eine Ringstruktur. Es entsteht ein Kirchhof der innere Schutzfunktionen wie den Schutz vor Witterung und Einblick übernimmt. Die einzelnen Funktionen des neuen

Gemeindezentrums orientieren sich zum Innenhof. Es entsteht eine neues Gebäudeensamble, welches die bestehende Kirche in eine „klosterartige“ Anlage einbettet. Diese Abgegrenztheit des Ensembles wird durch die exakte Positionierung von vier unterschiedlich gewichteten Eingängen durchbrochen. Diese Zugänge befinden sich an stadträumlich und funktionsbedingt markanten Punkten des Kirchenzentrums. Die 4 Eingänge des Ensembles ermöglichen eine Durchwegung des Kirchengeländes und sorgen für eine Integration des neuen Gemeindezentrums in den Alltag der Stadt. Es entsteht eine Neue Mitte sowohl für die

Kirchengemeinde als auch die Stadt Ulstein. Die Zugänge sind so Proportioniert das sich Abgegrenztheit und Öffentlichkeit exakt die Wage halten. Das Ensemble vermittelt Schutz und

Öffentlichkeit gleichermaßen. Die Ringförmige Struktur des Gebäudekomplexes hat eine Ringerschließung zur Folge. Durch die ringförmige Erschließung ist eine direkte Verbindung aller Gebäudeteile über einen geschlossenen Rundgang möglich. Es entsteht eine bauliche direkte Verbindung zwischen Kirche und

Gemeindezentrum und somit von Kirche und Gemeindeleben. Diese direkte Verbindung und kurzen Wege unterstützen die moderne Kirchenarbeit der Gemeinde und ermöglichen die Realisierung vieler verschiedener kirchlicher und kultureller Veranstaltungen. Auch im Hof findet sich diese Form der

Erschließung wieder und wird baulich hervorgehoben. Es können alle Gebäudeteile über den Außenraum erschlossen werden. Der Hofbereich ist als Haupterschließung an zu sehen. Alle

Gebäudeteile haben einen separaten Haupteingang über den Außenbereich. Es findet eine starke Verknüpfung von Außen und Innen statt. In der späteren Nutzung soll der Hof in den Nutzungsbereich des Gemeindezentrums integriert werden.

Die Stellung der Gebäudekörper, vor allem der neuen Kirche zur alten Kirche, formt einen Vorplatz der den gemeinsamen Eingangsbereich beider Kirchen bildet. Das klassische Waffenhaus wird transformiert und in den Außenraum verlegt. Beide Körper orientieren sich mit Ihren Zugängen zum

Vorplatz. Die städtebauliche Situation wird gestärkt. Der bestehende städtische Platz erhält nun eine Eindeutige Fassung, der Blick wird auf die Kirche gelenkt. Die alte Kirche bleibt als Hauptobjekt am Platz bestehen, während die neue Eingangssituation sich eindeutig in Richtung der neuen Kirche

orientiert. Die Ecken des Gebäudes werden durch geringe Überhöhungen betont. Dies dient der Hervorhebung

und Artikulierung der Zugänge sowie einzelner Funktionen (Kirche, Kapelle, Versammlung, Verwaltung). Das Areal und die neue Kirche werden markiert und das Ensemble gerahmt. Schwerpunkt des Entwurfes ist die Atmosphärische Verknüpfung der Umgebung, der erforderlichen Baumaßnahmen sowie der geforderten Nutzungen.

 

Entwurf

 

Es entsteht ein komplexes Gebäude, das sich über drei Ebenen erstreckt und zusammen wächst. Als Bezugsgeschoss wird die Kirchhofebene mit 0,00m angesehen. Der Hauptzugang für die neue Kirche sowie den Kirchhof befindet sich auf -3,50m über den neuen Kirchenvorplatz. Die neue Kirche wird barrierefrei über einen Vorraum erschlossen der ebenfalls die trockene Verbindung zur alten Kirche herstellt sowie dass betreten der Empore ermöglicht. Der Kirchenraum besteht aus einem überhöhtem Mittelschiff mit 2 Seitengängen. Im rückw.rtigen Bereich des Kirchenraumes befinden sich Taufwarteraum, Sakristei sowie Technik- und Lagerflächen. Die innenliegenden Bereiche der

Sakristei und des Taufwarteraumes werden über einen Lichtschacht indirekt beleuchtet und stellen somit Bezug zum Tageslicht und eine angenehme Aufenthaltsqualität im Innern her. Auch die Erschließung der Kapelle wird über den Kirchenraum ermöglicht. Der Kirchenraum funktioniert somit als eine Art „Ruhefilter“ der Kapelle, welche im Hintersten und somit ruhigsten Bereich des Ensembles liegt. Über eine Treppe vom Kirchenvorplatz gelangt man auf die Kirchhofebene. Diese kann ebenso barrierefrei von der Kyrkjebakken erschlossen werden.

Die Kirchhofebene dient als Verteiler und ermöglicht das betreten der alten Kirche über den alten Eingang, des Gemeindezentrums sowie der Verwaltung. Der offene Verwaltungsbereich liegt Nahe

dem Pfarrhaus und den öffentlichen Bereichen des Ortes. Das Gemeindezentrum wird über den geschützten Innenhof betreten. Das Foyer des Gemeindezentrums ist gro.zügig und ermöglicht den Zusammenschluss von Kirchenmusiksaal und Multifunktionsraum über eine innere Achse. Im rückwärtigen Bereich des Ensembles gelangt man über eine große Freitreppe und Tiefhof in das Gemeindezentrum und die Kapelle. Die Freitreppe dient als Hauptzugang für die Kapelle und fängt die

ankommenden aus den Wohnbereichen der Stadt ab. Der Foyerbereich des Gemeindezentrums ist durchgesteckt und wird über einen Einschnitt in der Rückhaltewand und den Tiefhof aufgefangen. Der Tiefhof weitet sich nach unten auf und wird über das Foyer des Gemeindezentrums beleuchtet. Der Zugang der Kapelle verengt sich, schottet die Kapelle vom Gemeindezentrum ab und endet dann im höchsten und sakralsten Raum des Ensembles- der Kapelle. Die Freitreppe dient als atmosphärischer

sowie funktionaler Zugang. Das betreten der Kapelle über die Freitreppe wird zu einem besonderen Erlebnis. Verwaltung und Gemeindezentrum teilen sich einen gemeinsamen offenen Küchen- und Kommunikationsbereich der den Grundriss auflockert und eine große Aufenthaltsqualität bietet.

Gemeindezentrum sowie Verwaltungsbereich sind mit der neuen Kirche über eine Treppe und den Lastenaufzug im Bereich des Foyers verbunden. Oberlichter und Verglasungen der Räume

ermöglichen eine indirekte Beleuchtung innenliegender Bereiche sowie interessante und atmosphärische Einblicke. Die Barrierefreiheit des gesamten Ensembles wird über die zwei Zugänge (Kirchenvorplatz sowie Zugang auf den Kirchhof von Kyrkjebakken) sowie den Aufzug gewährleistet. Auch die Belieferung der Kapelle (Sarg- und Kühlraum) findet über den Aufzug statt. Über großzügige Schiebeverglasungen werden die Innenräume in den Hof erweitert. Der Hof verschmilzt mit dem Gebäude, innen und außen verschwimmen. Zugänge und öffentliche Bereiche werden durch Rücksprünge in der Fassade betont und hervorgehoben. Das dritte Geschoss erreicht man über den Foyerbereich des Gemeindezentrums. Hier befinden sich

vorwiegend Räume der Jugend- und Gemeindearbeit. Auf dieser Ebene befinden sich auch die zwei letzten Zugänge des Ensembles, Zugang zur Freitreppe sowie Startpunkt der atmosphärischen Durchwegung oberhalb der Kapelle.

Das gesamte Gebäude bildet eine große Rückhaltewand die im Felsen steckt und an der hinteren Kante im Bereich der Gjerdegata nur 1,20m aus der Erde ragt. Die entspricht der Höhe der alten Felssteinmauer des Geländes. Der ursprüngliche Blick über das Gelände auf die beeindruckende Küstenlandschaft Norwegens bleibt erhalten.

 

Kirchenraum

 

Der Kirchenraum besticht durch seine Einfachheit. Nichts im Inneren der Kirche soll vom eigentlichen Schwerpunkt, der Gemeinde und dem Gottesdienst ablenken. Die Materialien im Inneren beschränken sich auf Beton, Holz so wie die Farbe Weiß. Der Innenraum spiegelt ein modernes Verständnis von Kirche und eine gewisse Bescheidenheit wieder. Trotz der minimalistischen Anmutung fehlt es der Kirche nicht an Sakralität. Diese entsteht ins besondere durch die indirekte Beleuchtung der Seitengänge sowie des überhöhten Mittelschiffs. Das langgezogene Lichtband an der Decke des Kircheraumes trägt zur gefühlten Höhe des Innenraumes bei. Die Gliederung des Innenraumes in einzelne Bereiche erfolgt lediglich über das Licht – Dunkelheit und Helligkeit. Der Raum gliedert sich klar in die dunklen Seitengänge sowie den hellen überh.hten Kirchenraum. Die Gemeinde steht im

Mittelpunkt des Raums.

 

Fassade I Materialität

 

Die Metaphorik für den Umgang mit der Topografie Norwegens und den damit verbundenen Ingenieurs- und Betonbauwerken ist in diesem Entwurf omnipräsent. Konzeptionell handelt es sich bei

meinem Eingriff um eine Tiefbaumaßnahme. Dieser Umgang mit dem Gelände und der typischen Bauweise spiegelt sich auch in der Fassade wieder. Um die Härte dieser Bauweise zu sensibilisieren und auf einen „Menschlichen“ Maßstab herunter zu brechen, wurde ein kleinformatiger Stein gewählt, der den Eindruck eines massiven, schweren Bauwerks vermittelt, bei Annäherung allerdings eine gewisse Kleinteiligkeit enthält. Durch Fassadeneinschnitte und flächenbündige Verglasungen, werden

verschiedene räumliche Nutzungen hervorgehoben. Große vollständig zu öffnende Schiebeverglasungen, verbinden Innenraum und Hof und bieten die Möglichkeit, Gebäude und Kirchhof als Einheit zu nutzen. Auch das Thema der Abgrenzung und Durchwegung wird in der Fassade aufgegriffen. Die Fassade vermittelt größtenteils einen schweren, geschlossenen Eindruck, wird aber an ausgewählten Stellen fast unmerklich aufgebrochen. Der Körper wird durch dies Öffnungen nicht beschädigt.

Die Klinker der Vorhangschale werden in einem auf gedoppeltem Blockverband vermauert, der in Teilbereichen des Gebäudes eine indirekte Beleuchtung über perforierte Ziegelwände ermöglicht.

Es werden Ziegel in zwei verschiedenen Tönungen verwendet. Vorgesehen sind Kohlebrandziegel der Firma Petersen Tegl. Dehnungsfugen müssen zwingend im Verband angeordnet und besandet werden, um das einheitliche Bild der Fassade und den damit verbundenen körperhaften Eindruck des Ensembles nicht zu stören. Das Dach wird in den Bereichen des Gebäudezentrums extensiv begrünt. Im Bereich der Kirche werden Ziegel (Petersen Tegl DNF) verlegt, um den körperhaften Eindruck des Kirchenarms zu stärken und die neue Kirche als Sonderkörper hervorzuheben.